10 Fragen an Niklas Orf
Mittwoch, 30. April 2025
Niklas im Sommerurlaub 2024 vor dem Gefionspringvandet in Kopenhagen. Bilquelle: Niklas Orf
Ich bin immer wieder fasziniert davon, welch ein Segen es ist, beim Unterfränkischen Schachverband sein Ehrenamt im Jugendbereich zu beginnen! Nach einer gewissen Zeit kennt man eigentlich alle Kinder und Jugendspieler aus allen Vereinen. Zumindest die, die dem Schachsport länger als nur einige wenige Jahre treu bleiben. Einer dieser Jugendspieler, die mir sehr ans Herz gewachsen sind, ist Niklas Orf vom SK Bad Neustadt. Niklas ist Jahrgang 2004, somit war er 15, als ich Anfang 2020 das Amt des stellvertretenden Bezirksjugendleiters übernommen habe. Und ein wirklich starker Schachspieler, der es 2022 sogar schaffte, sich bis zu den Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften zu qualifizieren. Aber auch ehrenamtlich engagierte sich Niklas früh für den Schachsport, so übernahm er, trotz seines jungen Alters, Ende 2020 die Funktion des Webmasters für die Unterfränkische Schachjugend und löste alle anstehenden Aufgaben ganz verzüglich.
Aber noch einmal kurz chronologisch. Niklas wurde, wie schon erwähnt, 2004 in Bad Neustadt an der Saale geboren, wuchs aber im nördlich von Bad Neustadt gelegenen, eher beschaulichen Hausen in der Rhön auf. Seine Schulzeit bestritt er am Martin-Pollich-Gymnasium Mellrichstadt (Anmerkung des Autors: starke Schulschach AG!), wo er 2021, in der Hochphase der Corona-Restriktionen, seine Hochschulreife erlangte.
Schon vor seinem Schulabschluss zeichnete sich ab, dass Niklas ein starkes Interesse für die Mathematik hatte. So klang es aus vielen Gesprächen heraus, die ich mit ihm auf Schachturnieren führen durfte und von denen er einige besuchte und vorne mitspielte. Keine Überraschung deshalb, dass er sein Interesse dann in ein Studium der Mathematik mit Anwendungsfach Philosophie weiter vertiefte. Nachdem Niklas 2024 seinen Bachelorabschluss erlangte, führt er momentan sein Studium mit dem Ziel Master weiter.
Aber auch dem Ehrenamt und seinem Heimatverein SK Bad Neustadt blieb Niklas weiterhin treu und ist seit 2024 der 1. Vorsitzende des Schachklubs Bad Neustadt. In diesem jungen Alter sicher erwähnens- und lobenswert. Zu seinen Hobbies zählt Niklas neben Schach Tischtennis und Lesen.
Ein spannender Mensch! Und natürlich haben wir ihn zu all diesen Aktivitäten befragt und die erwartet spannenden und vielschichtigen Antworten erhalten. Viel Spaß beim Lesen!
Frage 1: Wie bist Du zum Schach gekommen und was hat Dich dort gehalten?
Nachdem ich die Grundregeln von meinen Eltern erlernte, war ich zunächst mit mäßiger Begeisterung in der Schach-AG meiner Schule. Eines Tages stieß ich dann zufällig auf ein Eröffnungsvideo im Internet. (Das war tatsächlich ein Zufall. Denn, anders als in der Post-Corona-Zeit, waren Schachvideos zu dieser Zeit ja eher etwas für Insider.) Da sah ich erstmals, dass man sich mit dem Spiel ernsthaft beschäftigen kann und es rund um das Brett eine weite Welt zu erkunden gibt. Um das zu tun, ging es für mich vom Schulschach zum SK Bad Neustadt, wo ich mich von Anfang an wohlfühlte. Mit den Schachfreunden Zeit zu verbringen, macht schlicht Spaß und ist einer der Hauptgründe für meine anhaltende Leidenschaft. Den zweiten Punkt haben schon manche, viel eloquentere Menschen gemacht: Schach ist ein Spiel. Schach ist aber eben auch ein Sport. Und eine Wissenschaft. Und eine Kunst, und eine Sprache, und und und… Aus meiner Sicht ist es diese Vielseitigkeit, die die Einzigartigkeit des Schachs ausmacht.
Frage 2: Woran erkennst Du einen guten, einen mittelmäßigen und einen schlechten Schachspieler?
Ein einfacher Grundsatz, an dem ich beispielsweise auch bei Analysen im Jugendtraining immer festhalte, ist folgender. Für jeden Zug, den man in seiner Partie gespielt hat, sollte man eine Begründung formulieren können. Obwohl das sehr simpel klingt, macht es meiner Meinung nach einen großen Teil des Unterschieds zwischen einem Anfänger und einem Turnierspieler aus. Ein Turnierspieler wird dann zu einem sehr starken Spieler, wenn diese Begründungen auch noch gut sind.
Frage 3: Das „klassische“ Schach ist in letzter Zeit etwas in Verruf gekommen, zu zeitintensiv und Remis-lastig. Der Trend geht zum Schnellschach und Sonderformen wie Schach960. Du bist im USV ja auch für das Thema „Schachvarianten“ verantwortlich. Welche positiven oder auch negativen Entwicklungen siehst Du in den nächsten 10 Jahren auf den Schachsport zukommen?
Mir machen die Schachvarianten Spaß. Es ist schön, etwas Abwechslung vom klassischen Schach zu haben. Dieses Gefühl muss für Top-Spieler noch stärker sein, die in Form der Eröffnungstheorie einerseits selbst jeden Tag dieselbe Startstellung studieren und die andererseits erleben, dass man sich gegen einen Gegner, der von Anfang nur Remis forcieren will, dem kaum verwehren kann. Den zeitgeistigen Einwand „zu zeitintensiv“ bedaure ich wiederum. Die anstrengenden Partien mit langer Bedenkzeit bleiben für mich eine Art Reinform des Schachs; nicht alles muss immer schneller gehen. Auch in den Zuschauerzahlen können neukommerzielle Schnellschach-Projekte noch immer nicht mit Kandidatenturnier oder WM-Kampf mithalten.
Auf den Amateurbereich lässt sich das alles aber weniger übertragen. Ich bin überzeugt, dass hier das klassische Schach dominant bleiben wird. Man kann trotzdem davon ausgehen, dass es in Zukunft einige neue Angebote auch im Breitenschach geben wird, so wie aktuell das Grenke Freestyle Open. Für uns als Schachkonsumenten ist das toll. Alle, die das klassische Schach bevorzugen, brauchen unbesorgt sein, nicht weiter auf ihre Kosten zu kommen. Für einen besseren Anlass halte ich Zwistigkeiten, wie im Januar zwischen Buettners Freestyle Club und der FIDE. So ein Konkurrenzkampf mag vorteilhaft für die Weltspitze sein, eine Zersplitterung in der Breite könnte sich aber negativ auf den Amateurturnier-Kalender auswirken. Ich hoffe, dass die Funktionäre alle Strömungen berücksichtigen können und sich der Schachsport weiter so großer Beliebtheit erfreut. Verbesserungsbedarf gibt es bei der FIDE ja genug.
Frage 4: Was ist Dein Lieblings-Reiseziel und warum?
Vermutlich schlägt der Rezenzeffekt zu, aber mir hat ein kleiner Roadtrip durch Dänemark und Schweden letzten Sommer viel Spaß gemacht. Insbesondere hatten die Hauptstädte Kopenhagen und Stockholm viel zu bieten und mir gut gefallen.
Frage 5: Du bist seit kurzem der 1. Vorsitzende einer der größten nur-Schachvereine in Unterfranken. Wie hast Du Dir die Arbeit vorgestellt und ist sie so eingetreten?
Einen guten Überblick über die Tätigkeit konnte ich schon vorher als zweiter Vorsitzender gewinnen. Große Überraschungen gab es in den Monaten seit meinem Aufrücken also nicht. Entscheidend ist es, wie so oft, nicht allein zu sein. In Bad Neustadt sind wir ein gutes Team – sowohl was die Arbeit am Spielbetrieb, als auch organisatorische angeht. Dafür bin ich sehr dankbar! Die Bürokratie ist gelegentlich etwas umständlich, aber es ist schön, zur Gestaltung unseres Sports beizutragen. Dafür möchte ich auch beim Leser werben; gerade in den kleinen Vereinen hat ein überschaubarer ehrenamtlicher Aufwand oft eine große Wirkung.
Frage 6: Du gewinnst eine Reise ins All als Weltraumtourist. Bist Du dabei? Und warum?
Eine schwierige Frage. Wahrscheinlich wäre mir ein Ausflug ins All die Risiken nicht wert. Auf unserem Planeten, mit Boden unter den Füßen, ist es auch nicht schlecht.
Frage 7: Was ist Deine Lieblingseröffnung im Schach und welche würdest Du gerne noch dazulernen?
In meinen ersten Schach-Jahren bestand mein Eröffnungsrepertoire aus relativ einfachen Varianten, bei denen die groben Konzepte wichtiger sind als genaue Zugfolgen (was für Anfänger sicher auch empfehlenswert ist). Inzwischen spiele ich aber oft konkretere Eröffnungen, die entsprechend theorie-intensiv sind. Zum Beispiel im Grünfeldinder gibt es immer genug zu tun, bevor ich mich an etwas Neues traue.
Frage 8: Welches Buch, welche Musik und welcher Film müssen mit auf die einsame Insel?
Ich sitze nun schon viel zu lange an Robert Musils Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“. Vielleicht käme ich auf der einsamen Insel endlich mal vorwärts. Musikalisch kann ich mich tatsächlich mit den meisten Genres anfreunden. Es bleibt der Film für etwas schachliches, beispielsweise die Helmut Pfleger-DVDs zu den schönsten Partien der Schachgeschichte.
Frage 9: Welchen Schachspieler bewunderst Du am meisten und warum?
Für den einzigen deutschen Weltmeister Emanuel Lasker habe ich viel übrig. Immerhin hielt er den Titel für fast dreißig Jahre und trug einiges zur Professionalisierung des Schachs bei. Dass er, während er der beste Spieler der Welt war, noch als Mathematiker und Philosoph wirken konnte, war sicher der damaligen Zeit geschuldet und heutzutage nicht mehr möglich, finde ich aber trotzdem bemerkenswert. Generell werden die frühen Weltmeister teilweise weniger wertgeschätzt, als sie es verdienen.
Frage 10: Dein wichtigstes Ziel für die Zukunft?
Ein umfassendes Ziel habe ich momentan nicht, sondern versuche eher, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Im Studium heißt das, zuerst den Master-Abschluss zu erreichen; danach hoffe ich, weiter an der Universität bleiben zu können. Im Schach steht wohl für jeden Spieler mit einer 2 vor der ELO der Traum von einem Meistertitel am Horizont. So auch für mich, gleichzeitig habe ich großen Respekt vor den Anstrengungen, die die fehlenden Wertungspunkte repräsentieren.
Vielen Dank Niklas für den interessanten Einblick in Dein Leben und Deine Sicht auf den Schachsport!
In memoriam Klaus Link (1966-2024)
(MVE)