Unterfränkischer Schachverband e.V.
Bezirksverband des Bayerischen Schachbundes im Deutschen Schachbund e.V.
und Bayerischen Landessportverband

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UEM Streiflicht (#10) – Der Sündenfall

Josef Steinmachers Schachvita reicht zurück bis in die 70er Jahre. Beim SK Heidelberg stand er in den 80ern in der Meldeliste der Bundesligamannschaft.

Josef Steinmacher, volle Konzentration vor der Partie (Foto K. Link )

Mittlerweile spielt Josef beim SK Bad Mergentheim in der Baden Württembergischen Verbandsliga. Er ist ein Beispiel ausnahmsloser Nachhaltigkeit und Kontinuität, und ist bei vielen regionalen Turnieren anzutreffen.

Was macht man in den Ostertagen als Wertheimer? Natürlich! Man spielt spontan mit bei den Unterfränkischen Meisterschaften, und gibt sich die volle MI – Breitseite 😊

So rochierte er jeden Tag gut motorisiert und als Einheimischer ohne Orientierungsprobleme mit seinem flotten Roller zur Spielstätte.

In Runde sechs hatte ich dann das Vergnügen mit Schwarz gegen ihn zu spielen. Der Spielverlauf gestaltete sich recht ausgeglichen, und wir befragten nach guter Schachmanier (Ratschlag aus dem tollen Buch „Schach für Zebras“) unsere Figuren, wo sie am liebsten stehen möchten, beorderten sie hiernach an die richtigen Positionen und waren ansonsten recht friedlich gesonnen.

Im 17.ten Zug dann ein weißer Zug, zu dem GM Daniel King wahrscheinlich seinen Finger gehoben und moniert hätte „Split rooks!“, was die Beachtung der Turmharmonie meint, die dieser Großmeister für positionell enorm wichtig hält und nicht müde wird, zu postulieren.

18.Ta4?! Sc6 19.La3 Lxa3 20.Txa3?! (Sxc6!?) Sxe5! (=+)

Nun sah der Turm auf a3 aus wie ein verlottertes Straßenkind, das man auf der Treppenstufe eines Waisenhauses abgestellt hatte, so dass ich mich – auch aufgrund des zentralen d5 Bauern – in leichtem Vorteil sah, zumal die eigene Bauernschwäche a5 gut zu verteidigen schien.

Mehr noch: Nach 21.dxe5 Se4 22.Dd4 Db5!? 23.Tea1 (Da waren die Türme wieder vereint), zog ich mit breiter Brust, ad hoc und impulsiv, ohne weitere Berechnung meine Dame weit ins Steinmacher‘sche Lager auf die zweite Reihe (23.-De2), um von dort im Überschwang der Gefühle mächtig an der Türscharniere f2 der gegnerischen Königsgemächer ein (stumpfes) Brecheisen anzusetzen.

Diagramm und Studienaufgabe „Rette den Springer nach 24.f3

Wenn ich rechtzeitig bei Jonathan Rowson nachgeschlagen hätte, hätte er mir einer der sieben Todsünden im Schach – dem „Wollen“ – eine berechtigte Standpauke gehalten. Der menschliche Makel des „Wollens“ wird ebendort mit „Fixierung auf das Ergebnis“, „Sorglosigkeit“, (geistiges) „Abhaken“ treffend charakterisiert. Man hätte mir gewiss noch weitere Untugenden, namentlich das „Denken“ mit musterfixierter Schablonenhaftigkeit oder „Egoismus“, gleich Vergessen des Gegners, anlasten können, am Endergebnis meines Sündenfalls hätte dies nichts geändert.

Nach 24.f3 sah ich plötzlich, dass mein Zweizug-„Plan“ gründlich in die Hose gegangen war, und suchte verzweifelt nach einem Ausweg…den ich mit 24.-Sd2 25.Td1 +- prächtig in den Sand setzte. (24.-Sg5 25.h4 funktioniert nicht)

Sie wissen es bereits aus eigener Erfahrung: Wenn man einen Lapsus begeht, schiebt man schlechte Züge gerne hinterher (Todsünde Materialismus, Vernachlässigung dynamischer Faktoren, Denken = Abhaken, sich in sein Schicksal fügen) oder meine eigene, achte, selbst erkorene Todsünde: Fantasielosigkeit, fehlender Glaube an die Möglichkeiten.

Okay, ich ver-ausrede mein Misslingen, die Lösung zu finden, mit der Studienhaftigkeit der Rettungszüge. Aber eigentlich war es der Rechenhorizont, den ich zu früh abbrach.

Der Springer und das Spiel wäre in der obigen Diagrammstellung nach (Diagramm „Rette den Springer) mit folgender, sehenswerten Zugfolge zu halten gewesen:

(24.f3) – Df2+ 25.Kh1 Dd2! (deckt den Springer indirekt) 26.Dxd2 Sxd2 27.Td1 d4 28.Sg4:

Hier brach ich meine Berechnungen bereits nach dem vierten Zug fahrlässig ab. Doch die studienhaften Züge 28.-a4! oder 28.-d3! hätten den Tag gerettet:

  • 28.-a4! 29.Txd2?? axb3! Txb3 Ta1 und Grundlinienmatt !!!
  • 28.-a4! 29.Txd2?? axb3! cxb3 Txa3 -+ , der weiße Turm ist futsch
  • 28.-a4! 29.Txa4! Und sowohl 29.-d3, als auch 29.-Txa4 befreien wegen der Grundreihendrohung den schwarzen Rappen mit ausgeglichener Stellung
  • 28.-d3! 29.cxd3 Txd3 (=)

Die verrückteste Variante ist folgende:

  • 28.-d3! 29.c3 a4!! 30.Txd2 axb3 (30.Txb3 Ta1 #) 31.Txa8 Txa8 32.h4 (Luftloch) Ta2! 33.Txd3 h5!

Nun remisieren alle weißen Züge 34.Kh2, 34.Td8+ mit Tb8 um den b-Bauern halten zu können oder 34.Sh6+ Kh7! =, aber eben nicht 34.Se3?? aufgrund 34.-b2 nebst Ta1+ und Verwandlung des Bauern!

Zugegeben, dass alles aus der Stellung “Rettet den Springer“ heraus zu destillieren, ist extrem schwer und teilweise 10 Züge tief.

Mein Gegner war frohgemut, verwertete nach 24.-Sd2 25.Td1 gekonnt seine Gewinnstellung und nahm dies als Motivationsschub mit, um abends, am selben Tag beim Unterfränkischen Blitzturnier den Jüngeren das Fürchten zu lehren.

Er gewann als Ü70er (Jahrgang 1950) überraschend diesen starken Wettkampf:

(Fortsetzung folgt.)

[KL]